Folge 5 : Juliana Wonja Michael. Über-leben in NS-Kontinuitäten

Shownotes

Ab den 60er Jahren lebten erstmals eine größere Anzahl von Schwarzen Menschen in Deutschland, dessen Biografie nicht auf Kolonialmigration zurückzuführen war. Aufgrund US-amerikanischer Besatzung lebten zahlreiche Schwarze GI‘s in Hessen. Und die voranschreitenden Unabhängigkeitsbewegungen Afrikas hatten zur Folge, dass immer mehr Schwarze Menschen zum Studieren nach Deutschland kamen. In dieser bewegten Zeit kommt die NS- Überlebende Juliana Wonja Michael zurück nach Deutschland. Eleonore Wiedenroth-Coulibaly erzählt, wie sie sich an diese Zeit erinnert.

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Folge 5_Eleonore und Christelle_postproduziert.rtf

JWM: Mein Vater hieß Theophilus Wonja Michael und wurde am 14. Oktober in Bimbia, Kamerun, geboren. Die Michaels waren sehr angesehen und hießen vor der Missionierung durch Schweizer Baptisten eigentlich Mbele. Mein Großvater hatte die deutsche Missionsschule mitfinanziert und schickte Vater nach England, um dort Theologie zu studieren. Nach seiner Rückkehr sollte er als Pfarrer oder Lehrer arbeiten – aber das passte ihm überhaupt nicht.

JWM: (Musik-Intro)

JN: Hallo und willkommen zu einer weiteren Folge "Telling our Stories" – der Podcast zur gleichnamigen digitalen Ausstellung. Im Podcast und in der Ausstellung wollen wir uns dem Thema Schwarzer deutscher Geschichte mit Hinblick auf Migrationsbewegungen widmen, und es handelt sich bei diesem Projekt um ein Projekt der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, kurz ISD.

JN: "Telling our Stories" hat sich zur Aufgabe gemacht, vor allem Schwarze beziehungsweise afrodiasporische Zielgruppen zu adressieren – das heißt, ihre Erfahrungen und ihre Geschichte beziehungsweise Geschichten stehen im Fokus.

JN: Natürlich möchten wir aber auch alle anderen, die sich für Schwarze deutsche Geschichte interessieren, einladen, sich die Ausstellung anzusehen beziehungsweise sich den Podcast anzuhören.

JN: Mein Name ist Jeanne Nzakizabandi, ich bin Kuratorin, politische Referentin und Host dieses Podcasts, und in dieser fünften Folge wird es um die Frage Schwarzer Lebensrealitäten in Nachkriegsdeutschland gehen.

JN: Und wer die Folgen 1 bis 4 schon gehört hat – was ich an dieser Stelle sehr empfehlen würde, da wir so ein bisschen chronologisch hier durch die Zeit gehen – wer eben die Folge 1 bis 4 schon gehört hat, der weiß, dass wir für gewöhnlich einen Gast hier haben, mit dem ich mich dann über verschiedene Aspekte einer Epoche Schwarzer deutscher Geschichte unterhalte; das wird diesmal ein wenig anders sein, das wird ein bisschen experimenteller – ihr dürft also gespannt sein.

JN: Wir haben's nämlich diesmal so gemacht, dass wir ein verschriftlichtes Interview von Juliana Wonja Michael aufbereitet haben, und dieses werden wir uns eben ausschnittweise anhören, beziehungsweise haben's auch schon gehört, grade eben im Einspieler, das waren die Worte von Juliana Wonja Michael, und dann im zweiten Teil von diesem Podcast kommt aber auch noch ein Gast dazu, das ist dieses Mal Eleonore Wiedenroth-Coulibaly.

JN: Aber ich denke, an dieser Stelle macht es Sinn, erst mal ein paar Worte zu Juliana Wonja Michael zu sagen, wer sie ist und weshalb wir sie für unser Projekt "Telling our Stories" so spannend oder ihre Biografie so spannend fanden; denn Juliana ist die Tochter des Kolonialmigranten Theophilus Michael und wurde am 15. Februar 1921 in Berlin geboren.

JN: Wer die Biografie ihres jüngeren Bruders, Theodor Wonja Michael, kennt – seine Biografie hat den Titel "Deutsch sein und Schwarz dazu" – wer eben diese Biografie gelesen hat, der weiß, dass ihre Kindheit von zahlreichen wirklich unschönen Ereignissen geprägt ist; sie erleben nicht nur den Zusammenbruch der Weimarer Republik, sondern auch das Erstarken der Nationalsozialisten, und dazu kommt eben, dass ihre Eltern sehr früh sterben und Juliana und ihre drei weiteren Geschwister in unterschiedlichen Pflegefamilien unterkommen; beziehungsweise Juliana und Theodor, die beiden jüngsten von den vier Kindern, sind eine ganze Weile noch zusammen in einer Pflegefamilie, sie kommen in einer Zirkusfamilie unter, die beiden anderen Geschwister, James und Christiane sind aber an unterschiedlichen Orten.

JN: Und mit Kriegsbeginn verschlechtert sich die Situation natürlich noch mal erneut, und zwar dramatisch, und die älteste Schwester, Christiane, hatte das Land eben schon früher verlassen können und holt Juliana 1937 zu sich nach Frankreich.

JN: In Frankreich ist so ziemlich das Erste, was Juliana macht, auf Anraten ihrer älteren Schwester, dass sie, ja, ihren Fremdenpass verbrennt, da davon auszugehen ist, dass wenn quasi herauskommen würde, dass Juliana deutsch ist, dass ihr damit quasi die Ausweisung nach Deutschland drohen würde und damit eben auch eine Deportation ins KZ sehr wahrscheinlich gewesen wäre.

JN: Juliana überlebt den Krieg in Frankreich, arbeitet dort hauptsächlich im Zirkus und lebt auch eine ganze Weile nach Kriegsende dort, und erst Anfang der 60er Jahre fasst sie dann den Entschluss, zurück nach Deutschland zu kehren.

JN: In einem Interview von 2003, welches die Kultur- und Geschichtswissenschaftlerin Nicola Lauré al-Samarai geführt hat, erzählt Juliana, wie sie sich an die Zeit erinnert, was sie dazu bewogen hat, quasi zurück nach Deutschland zu kehren nach so langer Zeit, und vor allem, wie es ihr dann in Deutschland ging, wie sie dieses Nachkriegsdeutschland eben wahrgenommen hat.

JN: Und in diesen Ausschnitt dieses Interviews würden wir jetzt reinhören.

JN: (Musik)

JWM: Ich war auch vorher mit dem Zirkus schon ein bisschen im Rheinland und an anderen Orten herumgekommen und machte mir so meine Gedanken darüber; Köln gefiel mir gut und Bonn schien mir wegen der vielen Botschaften und der Menschen eine bunte, kosmopolitische Stadt zu sein.

JWM: Anfang der 60er Jahre eröffneten dann auch die ersten Afrikanischen Botschaften, und irgendwie reizte es mich, dort zu arbeiten. Ich besprach das Ganze mit Theo, der eine Menge Leute kannte, und tatsächlich wurde 1963 eine Übersetzerstelle frei, ausgerechnet in der Botschaft von Kamerun.

Nach einer Bewerbung und etwas brüderlicher Vermittlung bekam ich den Job. Vor dem Umzug war mir ein bisschen mulmig, aber mein Pariser Chef, für den ich gute vier Jahre gearbeitet hatte, sagte mir zum Abschied: "Madame Michael, wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie immer zurückkommen" – das half mir sehr, denn die erste Zeit in Bonn war wirklich schlimm. Ich wohnte übergangsweise in einer kleinen Pension, die netten Leuten aus Ostpreußen gehörte.

Nach einer Bewerbung und etwas brüderlicher Vermittlung bekam ich den Job. Vor dem Umzug war mir ein bisschen mulmig, aber mein Pariser Chef, für den ich gute vier Jahre gearbeitet hatte, sagte mir zum Abschied: Während ich tagsüber arbeitete, suchte mir der Besitzer Wohnungsanzeigen heraus, damit ich mich gleich nach Feierabend auf den Weg machen konnte. Aber ich kriegte nur Absagen. Selbst wenn ich zehn Minuten vorher angerufen hatte, sagten die Leute plötzlich "Nein", sobald sie mich sahen.

Manche waren noch deutlicher: "Wir nehmen keine Ausländer. Schwarze sowieso nicht" – zwischendrin hatte ich es so über, dass ich meinem Bruder ankündigte: "Ich geh zurück nach Paris" – schließlich fand ich eine Wohnung, und mit der Zeit wurden meine Ressentiments gegenüber den Deutschen kleiner.

Manche waren noch deutlicher: Trotzdem vergisst man so was nicht – und wenn mir jemand etwas Dummes sagte, was ziemlich häufig vorkam, habe ich mich immer gewehrt; da gab es nichts.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Jetzt kannst du das, und du tust es.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Mit den Kamerunern war ich auch sehr vorsichtig. Man darf Menschen nicht über einen Kamm scheren, aber als Vater noch lebte, hatte ich schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht, und das kam mir wieder hoch. Ich brauchte etwas, um mich an alles zu gewöhnen, und anfangs war ich, ehrlich gesagt, immer mal wieder kurz davor, alles hinzuschmeißen.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Sieben Jahre arbeitete ich in der Kamerunischen Botschaft. Die erste Zeit übersetzte ich nur. Später erledigte ich auch einen Teil der Konsulararbeit. Da hatte man alle Hände voll zu tun. Dann bekam ich ein Angebot von der belgischen Militärverwaltung und war dort für die nächsten fünfzehn Jahre als Schreibkraft angestellt, bis ich 1986 in Rente ging.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Dass ich nur noch hin und wieder übersetzte, machte mir nichts. Ich konnte mich mit ganz unterschiedlichen Dingen beschäftigen, lernte eine Menge und es war weniger anstrengend. Abgesehen davon war auch immer viel los. Auf Staatsbesuchen und Empfängen traf man Menschen von überall her. Man kam leicht ins Gespräch und kriegte mit, was in der Welt passierte. Außerdem gab es bei den Diplomaten genug Leute mit ungewöhnlichen Lebensgeschichten – die hatten natürlich andere Sachen erlebt als meine Brüder oder ich, aber trotzdem.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Man war nichts Besonderes mehr. Man gehörte einfach dazu. Rückblickend bin ich froh, dass ich den Umzug nach Deutschland gewagt habe. Es war leichter für mich, weil ich meinen Bruder Theo und dessen Familie in der Nähe hatte und kurze Zeit nach mir auch James hierher gezogen ist. Ich habe oft darüber nachgedacht, ob es anderen Familien wie uns durch die Nazis und den Krieg auch so ergangen sein mag, ob sie auch so auseinandergerissen worden sind.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Bei uns war es wahrscheinlich besonders extrem, weil unsere Eltern sehr zeitig starben und es niemanden gab, der sich wirklich um uns kümmerte. Wenn ich an die vielen Jahre denke, die es gedauert hat, bis wir Geschwister uns wiederfanden – ich habe mir immer gewünscht, dass unsere Kitta bei diesem großen Wiedersehen dabeigewesen wäre; dass sie ihren Enkeln und Urenkeln, ihren Nichten und Neffen begegnet wäre. Sie musste in ihren jungen Jahren so viel Schlimmes erleben und hätte etwas anderes verdient. Ich denke jeden Tag an sie.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: Viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Ich war schon immer ein misstrauischer Mensch und bin es immer noch. Das hat das Leben so mit sich gebracht. Vielleicht sind mir deshalb die Jahre mit meinen Tieren die schönsten. Ich liebte meine Raubkatzen, vor allem meine Tiger, und ich fühlte mich sehr zu ihnen hingezogen. Es sind wundervolle, sensible Geschöpfe. Sie spüren genau, mit wem sie es zu tun haben und zeigen es einem ganz direkt. Mit ihnen habe ich niemals etwas Schlechtes erlebt.

Früher musste ich stillhalten – aber das war dann anders. Ich dachte bei mir: (...)

JN: Ja. Das waren die Worte von Juliana Wonja Michael, gesprochen von Christelle Nkwendja-Ngnoubamdjum, und ich hab die Worte jetzt schon ein paar Mal gehört und auch immer wieder gelesen, und ich finde es trotzdem immer wieder sehr berührend, und vor allem finde ich es enorm wichtig, solche Quellen und, ja, Zeitzeugenberichte zu haben, dass diese eben existieren.

JN: Genau, also zum einen einfach die Tatsache, dass es die gibt, aber auch – das ist die Idee, die dahinter ja auch so ein bisschen steckt – und zwar die der "Oral History"; man könnte sagen, dass das gewissermaßen auch einer der Leitgedanken ist, wenn es um dieses Projekt "Telling our Stories", wenn man da quasi auch/ wir die Idee der Oral History auf jeden Fall verfolgen, weil es eben darum geht, Geschichten zu erzählen, und das aber in ihrer Vollständigkeit.

JN: Im Kontext von diesem Podcast konnten wir uns natürlich nur Ausschnitte des ganzen Interviews zeigen, aber es ist so, dass Juliana in dem Gespräch mit Nicola ja quasi noch mal ihr ganzes Leben Revue passieren lässt und man damit ja irgendwie auch so eine gewisse Vollständigkeit vielleicht auch nachgehen möchte – während ich es in anderen Kontexten, also vor allem in historischen, also geschichtswissenschaftlichen Kontexten oft so kenne, dass man sich sehr für ein Ereignis interessiert.

Für dieses Projekt haben wir uns entschieden, in diesem langen Leben, das Juliana geführt hat und in dem auch einfach sehr viel passiert ist, dass wir unseren Fokus eben auf die 60er Jahre legen wollen, also auf die Zeit, wo sie zurückgekommen ist nach Deutschland, weil wir uns vor allem gefragt haben: Was ist das für ein Deutschland gewesen, in das Juliana nach so langer Zeit wieder zurückgekommen ist? – also: Wie hat deutsche Nachkriegsgesellschaft ausgesehen?

Für dieses Projekt haben wir uns entschieden, in diesem langen Leben, das Juliana geführt hat und in dem auch einfach sehr viel passiert ist, dass wir unseren Fokus eben auf die 60er Jahre legen wollen, also auf die Zeit, wo sie zurückgekommen ist nach Deutschland, weil wir uns vor allem gefragt haben: Und zu diesem Zweck haben wir uns einen Gast eingeladen – ich hab's vorhin schon gesagt, unser heutiger Gast ist Eleonore Wiedenroth-Coulibaly. Eleonore ist Community Organizerin, Sprecherin, Moderatorin, Vernetzerin, Übersetzerin und Dozentin für Deutsch als Fremdsprache. Als politische Aktivistin ist sie Gründungsmitglied der Intiative Schwarze Menschen in Deutschland und hat als solche einige Projekte des Vereins mitentwickelt und gestaltet, zum Beispiel das Bundestreffen, auf das wir später auch noch zu sprechen kommen.

Für dieses Projekt haben wir uns entschieden, in diesem langen Leben, das Juliana geführt hat und in dem auch einfach sehr viel passiert ist, dass wir unseren Fokus eben auf die 60er Jahre legen wollen, also auf die Zeit, wo sie zurückgekommen ist nach Deutschland, weil wir uns vor allem gefragt haben: Sie hat das Ausstellungsprojekt "Homestory Deutschland" mitbegleitet und sie ist auch Mitautorin des in den 80ern erschienenen Sammelbands "Farbe bekennen – Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte", und ist auch Mitherausgeberin des Sammelbands "Spiegelblicke – Perspektiven Schwarzer Bewegung in Deutschland", das 2015 zum 30-jährigen Jubiläum der ISD erschienen ist.

Also, wenn es darum geht aufzuzählen, wo Eleonore alles schon so ihre Finger mit im Spiel hatte, sag ich mal, lässt sich eine lange Liste aufsagen; und ich freue mich eben sehr, dass sie heute hier mit dabei ist, weil es eben heute um die Frage gehen wird: Was ist das für ein Deutschland gewesen in den 50er und 60er Jahren? – um noch mal ein bisschen zu verstehen, was ist das für eine Zeit gewesen, was ist das für ein Deutschland gewesen, in das Juliana zurückgekehrt ist? – aber ich will gar nicht mit der Tür ins Haus fallen; erst mal: Hallo Eleonore, schön, dass du heute dabei bist.

EWC: Hallo. Danke, dass ihr mich eingeladen habt.

JN: Sehr gerne. Genau, wir hatten ja im Vorgespräch uns auch eh schon länger unterhalten, und auch noch, bevor dieses Projekt überhaupt in Gedanken zumindest existiert hat, uns immer wieder über ähnliche Thematiken unterhalten. Und ich würde gern am Anfang von unserem Gespräch doch noch ein bisschen bei Juliana bleiben und einfach fragen: In welchem Kontext hast du sie kennengelernt und wie erinnerst du dich an die Begegnung mit Juliana?

EWC: Ja, danke für die Frage, Jeanne. Ich hab Juliana kennengelernt Anfang der 2000er Jahre, und zwar über ihren Bruder Theodor Wonja Michael – den hast du ja schon erwähnt. Theodor ist zu der ISD, zu der Schwarzen Bewegung in Deutschland Ende der 80er Jahre gekommen, also die ISD gibt's seit '85, und ich hab gehört, er war ja in Köln, dass er in Köln die ersten Kontakte '89 hatte.

EWC: Und ich habe ihn dann, weil ich ja nicht in Köln bin, sondern in Frankfurt, hab ich ihn bei einem Bundestreffen von der ISD dann mitbekommen, und seitdem auch Kontakt gehalten mit ihm, so wie Nicola auch und wie viele andere auch, weil wir waren alle begeistert, entgeistert, begeistert, dass wir einen älteren Menschen in unserer Mitte haben, der uns so Kontinuitäten, über die wir angefangen hatten uns Gedanken zu machen, die uns das vorgelebt haben, dass sie diese Kontinuität repräsentieren.

Genau, und Theodor hatte halt erzählt, dass er noch Geschwister hat, und dass die aber eher medienscheu sind, im Gegensatz zu ihm, der ja Schauspieler auch war, und irgendwann war's dann so weit, dass er sagte: "Doch, Juliana kann sich das vorstellen und hat schon auch Interesse" – sie möchte nicht so überrannt sein, aber ich darf sie auch mal besuchen mit ihm.

Genau, und Theodor hatte halt erzählt, dass er noch Geschwister hat, und dass die aber eher medienscheu sind, im Gegensatz zu ihm, der ja Schauspieler auch war, und irgendwann war's dann so weit, dass er sagte: Und dann hab ich das gemacht und war bei ihr in Bonn, und das war eine sehr schöne Begegnung, und dann komm ich so ein bisschen zu dem "Wie erinnere ich sie?" – aus dieser Begegnung, dann aber auch noch aus einer zweiten, als einen sehr ruhigen Menschen; also so irgendwie ruhig, gefasst, und gleichzeitig sehr lebendig. Also beides war da.

Und Juliana konnte sehr gut sprechen, sehr gut erzählen, aber man hat auch gemerkt, dass sie eingeladen werden möchte zu erzählen – also, sie kommt nicht mit allem nur so einfach frei raus. Und diese Art des Erzählens – wie gesagt, sie war ruhig, sie hat leise gesprochen, relativ leise, was aber auch eine gewisse Intensität mit sich bringt oft, ne – ja, und so hab ich sie erlebt, als eine sehr freundliche, ruhig, gefasste, humorvolle Person. Also, sie konnte auch lachen, und auch lachen über ihr Leben, auch wenn sie diese schlechten Erfahrungen erzählt hatte, war das so manchmal garniert auch mit einem Lachen; wo ich dann merkte: Ja, das verstehe ich total, das ist wie so ein Lachen, dass man drüber hinweg ist, dass man befreit ist davon, dass man überhaupt drüber reden kann auch.

Und Juliana konnte sehr gut sprechen, sehr gut erzählen, aber man hat auch gemerkt, dass sie eingeladen werden möchte zu erzählen – also, sie kommt nicht mit allem nur so einfach frei raus. Und diese Art des Erzählens – wie gesagt, sie war ruhig, sie hat leise gesprochen, relativ leise, was aber auch eine gewisse Intensität mit sich bringt oft, ne – ja, und so hab ich sie erlebt, als eine sehr freundliche, ruhig, gefasste, humorvolle Person. Also, sie konnte auch lachen, und auch lachen über ihr Leben, auch wenn sie diese schlechten Erfahrungen erzählt hatte, war das so manchmal garniert auch mit einem Lachen; wo ich dann merkte: Ja, genau, ich hab mich also sehr, sehr gefreut, dass sie mich zu sich reingelassen hat, und dann 2005 hatten wir sie zum Bundestreffen eingeladen – also, ich hab dann dafür gesorgt, dass sie aufs Bundestreffen kommt, das war zufällig auch das zwanzigste Jubiläum, war sehr gut besucht, und wir hatten nicht nur Theodor da, sondern wir hatten Juliana da.

Und Juliana konnte sehr gut sprechen, sehr gut erzählen, aber man hat auch gemerkt, dass sie eingeladen werden möchte zu erzählen – also, sie kommt nicht mit allem nur so einfach frei raus. Und diese Art des Erzählens – wie gesagt, sie war ruhig, sie hat leise gesprochen, relativ leise, was aber auch eine gewisse Intensität mit sich bringt oft, ne – ja, und so hab ich sie erlebt, als eine sehr freundliche, ruhig, gefasste, humorvolle Person. Also, sie konnte auch lachen, und auch lachen über ihr Leben, auch wenn sie diese schlechten Erfahrungen erzählt hatte, war das so manchmal garniert auch mit einem Lachen; wo ich dann merkte: Und wir haben sie groß angekündigt und sie hatte dann ihre Session, in der sie einfach nur erzählen konnte. Das hat sie getan und ja, die Leute haben an ihren Lippen gehangen – ich auch. (lacht) Und es war so schön, dass sie hinein in die Mitte von einer Schwarzen Gemeinschaft wieder kam – weil ich glaube, das hatte sie lange nicht gehabt und das war dann so ein Erleben, was wir ihr, ihrer Generation ja eigentlich auch, wieder ermöglichen konnten.

Und Juliana konnte sehr gut sprechen, sehr gut erzählen, aber man hat auch gemerkt, dass sie eingeladen werden möchte zu erzählen – also, sie kommt nicht mit allem nur so einfach frei raus. Und diese Art des Erzählens – wie gesagt, sie war ruhig, sie hat leise gesprochen, relativ leise, was aber auch eine gewisse Intensität mit sich bringt oft, ne – ja, und so hab ich sie erlebt, als eine sehr freundliche, ruhig, gefasste, humorvolle Person. Also, sie konnte auch lachen, und auch lachen über ihr Leben, auch wenn sie diese schlechten Erfahrungen erzählt hatte, war das so manchmal garniert auch mit einem Lachen; wo ich dann merkte: Und so ein Zusammenkommen – wir sind ja vollkommen getrennt unsere Wege gegangen bis dahin, und dann zusammenzukommen und eben tatsächlich zu erkennen und zu postulieren und es zu leben und erleben, dass wir Gemeinsamkeiten haben und dass wir auch zusammen sind. Ja, das war schön.

Und Juliana konnte sehr gut sprechen, sehr gut erzählen, aber man hat auch gemerkt, dass sie eingeladen werden möchte zu erzählen – also, sie kommt nicht mit allem nur so einfach frei raus. Und diese Art des Erzählens – wie gesagt, sie war ruhig, sie hat leise gesprochen, relativ leise, was aber auch eine gewisse Intensität mit sich bringt oft, ne – ja, und so hab ich sie erlebt, als eine sehr freundliche, ruhig, gefasste, humorvolle Person. Also, sie konnte auch lachen, und auch lachen über ihr Leben, auch wenn sie diese schlechten Erfahrungen erzählt hatte, war das so manchmal garniert auch mit einem Lachen; wo ich dann merkte: Und, ah ja, und ich erinnere mich, dass sie dann halt auch gesagt hat, sie kommt gerne wieder – ist sie aber nicht. Also, sie war schon frail, sie war schon ein bisschen zerbrechlich und sie war nicht noch mal auf einem Bundestreffen. Aber es gibt seitdem/ es gab seitdem Kontakte, dass einzelne Leute auch mit ihr Kontakt hatten, Nicola al-Samarai war auch dort und hat dann den Kontakt gesucht und gehalten und gepflegt, dass sie halt auch die Interviews machen konnte.

JN: Ja, jetzt hast du auf jeden Fall auch schon ein sehr wichtiges Stichwort angesprochen. Ich glaube auch das, worum wir uns in dieser Folge mit Sicherheit noch häufiger drehen werden, und zwar das Stichwort von "Kontinuitäten", also Kontinuitäten, Brüche ist ja auch generell das, was uns in dieser Ausstellung interessiert, und dass, genau, man sich das ja auch noch mal so vergegenwärtigen muss, dass man sagen kann, dass, na ja, NS ja auf jeden Fall einen klaren Bruch dargestellt hat, wenn wir über die Frage nachdenken: Was für ein Wissen hat es denn überhaupt gegeben über Schwarzes Leben in Deutschland? – und da hat ja auf jeden Fall ein starker Bruch stattgefunden, und dann ist natürlich die ganze Familie Michael einfach, ja, ein lebendiges Beispiel dafür, dass Schwarzes Leben in Deutschland einfach schon so lange besteht; deswegen ja auch der Einspieler, wo Juliana dann selber sagt, sie muss ganz von vorne anfangen, weil sonst sind die Dinge ein bisschen unklar oder bleiben unklar.

EWC: Ja.

JN: Genau, an der Stelle könnte ich auch noch mal erwähnen: Von dem Bundestreffen, von dem du grade erzählt hast, gibt's ein Video, also ja, das stimmt, ich hab gesehen, die Leute hingen Juliana an den Lippen – genau, ich hab auf jeden Fall rausgehört, dass es auf jeden Fall was sehr, sehr Beeindruckendes und sehr Bewegendes gewesen ist.

EWC: Ja, auf jeden Fall. Also, ich kann mal von mir sprechen: Ich bin 1955 geboren, nach dem Nationalsozialismus also, und bin total in einer weißen Umgebung aufgewachsen; ich hatte gar keine Schwarzen Menschen um mich herum, zumindest nicht so, dass ich mich erinnern könnte oder dass die bei mir eine längere Rolle gespielt hätten, weder familiär noch institutionell noch irgendwas.

Und als ich dann anfing, über mich nachzudenken, da hab ich dann schon so gedacht: Es ist schade, dass ich keine Verwandten habe, die – also Schwarze Verwandte – die mich hier hätten stützen können, die mich hätten auffangen können, aufheben können; ja, und also diese Trauer darum, was einem so alles fehlt beziehungsweise heute würde ich auch sagen: vorenthalten wurde

JN: Ja.

EWC: das verflüchtigt sich in gewisser Weise durch diese lebenden Personen, die wir, die ich noch erleben durften und konnten. Und "Familie" denke ich dann viel weiter als so diese biologische oder biologistische Familie, wie das hier dann immer gerne gemacht wird, sondern "Familie" sind die Leute, mit denen man verbunden ist, und dann gibt's verschiedene Stränge, wie man Verbindungen herstellt, und die einen vielleicht auch tragen – also, ich möchte, dass Familie trägt und schützt und stützt, und insofern sehe ich schon die Familie Michael beziehungsweise diese Generation der Familie Michael als meine Elterngeneration, Großelterngeneration; eigentlich Elterngeneration für mich, also ein bisschen älter als meine Elterngeneration (lacht) aber so ganz Großeltern wären's dann auch noch nicht.

EWC: Ich hab das Glück, dass ich jetzt ältere Leute kennenlernen durfte, und damit sich für mich eine Lücke füllt in meinem Leben, in meinem Bedürfnis auch, was ich gebraucht habe. Also, ich kenne jetzt Großeltern und Schwarze Eltern, also die haben sich mehr als Großeltern präsentiert, also ja, aber vom Alter her sind sie für mich dazwischen.

JN: Okay, verstehe. Ja, das kenne ich auf jeden Fall, dass man da nicht unbedingt bei seiner biologischen Familie bleiben muss, sondern sich so seine Leute so zusammensucht – doch. Ich weiß nicht, inwiefern ich das jetzt quasi vergleichen kann mit meiner Situation, einer Situation, in der – es gibt mich und meine Eltern hier in Deutschland und man merkt aber sehr früh: Alle anderen haben eine viel größere Familie – dass meine Eltern dann irgendwann angefangen haben zu sagen: "Das ist der Onkel, das ist die Tante", und das sind einfach nur enge, "nur" enge Freunde der Familie, also das "nur" in Anführungszeichen; aber dass man sich seine Leute einfach ranholt.

EWC: Genau.

JN: Um eben dieses Gefühl von Geborgenheit, was du grade alles beschrieben hast, wiederherstellen zu können. Okay.

EWC: Ich weiß jetzt auch, warum sie sich als Großeltern präsentiert haben – ich war ja auch schon eine ältere Generation im Verhältnis zu den ganzen anderen Leuten, die da waren. (lacht)

JN: (lacht) Ja.

EWC: Also, '55 geboren ist jetzt – wir sind auch nicht so viele, und wie gesagt, das ist ja eigentlich doch Nachkriegszeit, das "eigentlich" erklär ich gerne nachher noch mal; und dann gab's welche, die in den 60er Jahren geboren wurden und dann halt immer jünger, immer jünger werdende Menschen, ne. Und insofern, natürlich war's die Großelterngeneration für die meisten, die da kommen.

EWC: Und ich bin so eine Zwischengeneration in dem Ganzen. Und von meiner Generation gibt's auch nicht so viele. Also, gibt's andere Gründe, warum – aber letztlich haben die Gründe immer noch mit der Gesamtgeschichte und dem Gesamtverständnis von den Deutschen und der deutschen Gesellschaft zu tun. (lacht)

JN: Ja, genau.

EWC: Ausschlussmechanismen im Gesamtverständnis.

JN: Ich weiß, ich weiß.

EWC: (lacht)

JN: Ich will mich gar nicht so sehr daran aufhalten, aber ich glaube, darauf sollten wir schon auch noch mal einen Blick werfen, also: Wie war Nachkriegszeit in Deutschland? – also, man weiß, es ist eine Zeit gewesen, die einfach von großem Schweigen geprägt gewesen ist, man hat nichts gewusst, man hat nichts gesehen, so was; aber, also, was macht das quasi auch noch mal mit einem?

Ich hab mir in dem Vorgespräch, als wir noch mal gesprochen hatten, so ein bisschen, so einen Satz von dir vor allem notiert: das dafür sorgt, dass man gar nicht so in gewisse Richtungen denken kann. Also, weil es braucht immer irgendwelche Diskurse, an die man anknüpfen kann, und wenn die nicht geführt werden, woher sollen Ideen, Überlegungen kommen?

EWC: Hm-hm. Da gibt's so Kontinuitäten, bruchlose Kontinuitäten, die hab ich genauso abgekriegt wie sie, oder fast genauso abgekriegt wie sie – und das hat mich sehr beschäftigt auch, im Nachdenken. Also, diese Ausgrenzungen, die sie erlebt haben, waren ja – also, zum Beispiel: Juliana beschreibt, und alle anderen Geschwister auch, wie sie missbraucht wurden für Völkerschauen, für, ja, Ausstellungen, wo sie als Menschen ausgestellt wurden.

EWC: Dann wurden sie in Zirkus mit reingenommen, wo sie dann aktiv sein mussten, aber auch exotisiert waren – das war wie so eine Fortsetzung von den Völkerschauen.

JN: Wobei, genau, wir haben ja jetzt eben nur den Ausschnitt gehört – ich würde aber, glaub ich, an der Stelle sagen, dass Juliana da schon noch mal Unterschiede gemacht hat; also, als Kinder hat der Vater quasi alle Kinder eingespannt, um an Völkerschauen teilzunehmen – Juliana hat auch eine ganze Weile im Zirkus gearbeitet, in Deutschland auch, in Frankreich, hat die Arbeit im Zirkus aber anders für sich verstanden und wahrgenommen als das, was in den Filmen und in den Völkerschauen stattgefunden hat, weil sie da eben, ja, zum einen einfach sich immer sehr wohl gefühlt hat, mit dem Umgang mit Tieren, was wir ja auch grade gehört haben, und auch so das Gefühl hatte von: Sie kann was, was andere Leute nicht können.

EWC: Das stimmt.

JN: Also, wie viele Leute stehen mit Wildtieren in einem …?

EWC: Ja, mit Löwen, mit Tigern.

JN: Genau. Und ein Publikum, das kommt, um genau sich diese Performance anzuschauen – also deswegen, da wollte ich nur sagen, dass ich das vielleicht nicht so in einer Reihe aufzählen würde zumindest. Genau, ja.

EWC: Also, gut dass du's erwähnst. Aber für mich – da hab ich die Fremdsicht darauf – ich zähle es trotzdem weiter auf, in einer Reihe, weil es alles mit Exotisierung einhergeht.

JN: Klar, das stimmt.

EWC: Ne? Und ja, sie konnte da drinne in der Zirkuswelt wesentlich – sie konnte sich selbst entdecken, das hab ich auch wahrgenommen. Und sie konnte sich selbst leben und ausleben, bis zu einem gewissen Punkt. Aber sie hatte keine freie Wahl, was Beruf angeht.

JN: Das stimmt.

EWC: Sie war reingedrängt worden und das war eine Folge von, also, eine Abfolge, logisch, dass sie dann dort landete, und alles andere stand ihr nicht offen. Und deswegen sehe ich das schon in Zusammenhang.

JN: Genau. Genau, bis zu einem gewissen Punkt, also Juliana ist ja nicht ihr Leben lang im Zirkus gewesen.

EWC: Nee nee.

JN: Hat dann auch noch eine andere Karriere.

EWC: Nee nee, aber im Nationalsozialismus.

JN: Im Nationalsozialismus.

EWC: Also, raus aus dem Kolonialismus – im Nationalsozialismus gab es quasi nichts anderes für alle diese Menschen, für alle Schwarzen Menschen. Sie haben sich ja probiert, also sie haben ja in anderen Berufen, die handwerklich waren oder auch dienend waren – Hotelpage, bei Theo – haben sie sich versucht und konnten sich nicht halten, weil sie rausgekickt wurden. Also nicht, weil sie unfähig gewesen wären, sondern weil es Berufsverbote dann gab.

Und insofern war das also einfach ein festgeschriebener Weg. Und was ich auch noch wichtig finde: Dass das ja gebraucht, missbraucht wurde, um Propaganda zu machen. Ne, also wozu brauchte man dieses ganze Zeug und diese ganzen Inszenierungen? – weil Deutschland und Nationalsozialismus ganz stark noch mal versucht haben oder sich so das herbeiträumen wollten, dass auch sie wieder Kolonialreiche haben werden.

Diese ganze Kriegerei, also Krieg gegen England und gegen Frankreich, andersrum: gegen Frankreich und dann versucht fast auch gegen England, waren ja eigentlich Kriege gegen Kolonialreiche – das heißt, wenn sie es geschafft hätten, da zu siegen, hätten sie gleichzeitig koloniale Gebiete mit bekommen, und das war das Ansinnen.

JN: Das stimmt. Also, mit Sicherheit auch – also, es fällt zumindest auf, dass es dafür, dass der NS so reglementiert gewesen ist, dass es sehr unterschiedliche Werdegänge gibt, wenn's um die Biografien Schwarzer Menschen aussieht; also, es gibt Biografien von Menschen, die tatsächlich in KZs gestorben sind, es gibt aber auch Menschen, die tatsächlich auch noch höhere Bildung genießen konnten.

Ja, genau, aber worauf ich hinaus möchte, ist eben dieses: Es fällt auf eben, dass es da anscheinend nicht so reglementiert gewesen ist wie in anderen Bereichen, und das lässt natürlich dann auch die Vermutung aufkommen, dass da vielleicht auch noch Pläne gewesen sind – nicht nur die Vermutung, man weiß es; es gibt kolonialrevisionistische Propaganda im NS, sehr lange, bis in die 40er hinein – genau, und dann fällt aber auf, dass mit Kriegsende so eine koloniale Amnesie einsetzt, die ja auch generell zu dem passt, was ich vorhin schon gesagt hab: Man hat nichts gewusst, man hat nichts gesehen. Und dann hat man in dieser Amnesie quasi auch noch, ja, koloniale Diskurse, koloniale Praxen mit verpackt und es hat einfach alles nicht mehr existiert.

Ja, genau, aber worauf ich hinaus möchte, ist eben dieses: Und das sorgt dann natürlich auch dafür, dass es einfach schwierig ist anzuknüpfen an bereits existierende Überlegungen, Bewegungen et cetera.

Ja, genau, aber worauf ich hinaus möchte, ist eben dieses: Die ISD ist natürlich, also, ist so ein bisschen der Beginn jüngerer Schwarzer

EWC: Ja, '85.

JN: Genau (lacht) Bewegungsgeschichte – aber wir haben ja auch schon eine Folge gehabt zum Afrikanischen Hilfsverein, das ist dann ja quasi in dieser Amnesie auch einfach verschüttet gegangen, könnte man sagen.

EWC: Klar. Also, ich denke, dass – noch mal zum Erleben erst noch mal: Also, die hatten dann die Berufe, ohne eine Berufswahl zu haben, die alle in diese Richtung gingen von Exotisierung, und als Kinder, mit den Völkerschauen vor allen Dingen, haben sie ja erlebt, dass sie angegafft wurden – also das schreibt Juliana auch so oder sagt sie auch so – und damit umgehen müssen, ja, das auszuhalten, das Angaffen. Aber auch – das ist mir später irgendwann mal gekommen – dieses In-die-Haare-Fassen, was für uns ja auch Thema, also ganz stark, war; heute, glaub ich, immer noch ist, teilweise.

Das kommt aus diesen Zeiten her. Und das kommt von, also, so eine eingeübte, ich nenn's mal: Mentalität, weil mir nichts Besseres einfällt – eine eingeübte Mentalität, wie weiße Menschen mit Schwarzen, rassifizierten Menschen umgehen dürfen; das kommt daher, dieses Angaffen, Anstarren, diesen Blick aushalten zu müssen und andere diesen Blick werfen zu dürfen, und keinen Respekt und keine Scham mehr zu haben. Das kommt daher, denke ich, und das sind so die Kontinuitäten.

Also, ich als Kind hatte das natürlich ganz stark – ah ja, noch mal: Ich bin '55 geboren und mir wurde irgendwann mal gesagt: "Das war Nachkriegszeit, und Nachkriegszeit, nach Nationalsozialismus", aber sie sagen ja hier gerne "Nachkrieg", und da hab ich mich früher verwehrt und dachte so: Na, der Krieg war ja lange vorbei, ne? (lacht) Und dann ist mir irgendwann gedämmert: Doch, das stimmt – also, nach Nationalsozialismus, das fing ja dann mit '46 direkt, also, '45/46 direkt an und ging bis in die 60er Jahre, diese Nachnationalsozialismuszeit. Es gab keinerlei Bemühen um eine Aufarbeitung in diese Richtung, also vom Nationalsozialismus keine Aufarbeitung – die kam Ende der 50er Jahre erst, und dann mit 1963 gab's die Auschwitzprozesse.

JN: Ende der 60er Jahre kam das, meinst du?

EWC: Nee, Ende der 50er fing es an, also dass Einzelne sich Gedanken machten – und '63 wurde dieser Auschwitzprozess hier in Frankfurt inszeniert, also wirklich groß gemacht; das war die erste große öffentliche Auseinandersetzung überhaupt mit etwas, was mit Schuldbewusstsein zu tun haben könnte.

JN: Also, ich glaube, vor Kriegsbeginn, kann man sagen, dass es – ich will nicht/ eine homogene Masse war es sowieso nicht, aber die Biografie ging häufig auf Kolonialmigration zurück; während es dann in den 60er Jahren unterschiedlich war – es gab Personen wie Juliana, die, genau, wo der Vater Kolonialmigrant gewesen ist, aber es gab eben auch Kinder, die oft amerikanische GIs als Väter hatten, dann gab es Menschen, die zum Studieren hergekommen sind, also es ist dann doch sehr heterogen geworden.

Und deswegen: Wie erinnerst du dich daran, wie wirkten diese verschiedenen Gruppen auf dich? Du hattest im Vorgespräch auch schon gesagt, du hattest nicht zu allen den gleichen Zugang oder so die – "Zugang" im Sinne von "Verbindung" – darauf würde ich ganz gerne noch mal zu sprechen kommen.

EWC: Ja. Ich mach mal so aus meiner Erinnerung – und die ist jetzt vielleicht lückenhaft; also, auch meine Erinnerung, die ist sowieso lückenhaft vielleicht, aber vielleicht erinnere ich mich im Moment nicht an alles.

EWC: Also, wir sind ja sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, immer wieder, weil die deutsche Geschichte ihre Spuren da drinne quasi hinterlässt, also wer wann hier gelandet ist, gestrandet ist, geblieben ist, überhaupt kommen konnte, das kommt immer in so Wellen.

EWC: Und die Ersten waren – in der moderneren Geschichte – die Ersten waren dann halt die sogenannten "Kolonialmigrant*innen", die kamen, weil es deutsche Kolonien gab und weil's da Austausch gab, und die sind dann in der Tat eigentlich mehr hier gestrandet, glaube ich. Also, teilweise wollten sie bleiben, aber letztlich, der Nationalsozialismus hat sie eingeholt und …

JN: Tatsächlich schon vorher, weil der rechtliche Status einfach, ja, dafür gesorgt hat, dass man dann gestrandet war; weil Deutschland ist ja seit Ende des Ersten Weltkriegs keine Kolonie mehr gewesen, und damit waren diese Menschen auch keine deutschen "Untertanen", in Anführungszeichen, mehr, sondern die der neuen Kolonialmächte; Frankreich und England meistens, und die wiederum haben sich aber geweigert, diesen Personen Papiere auszustellen – und daher dieses Stranden vor allem in den 20er Jahren.

EWC: Stimmt, genau. Ja, genau.

JN: Genau.

EWC: Und ja, die konnten ja dann ihre Existenzen mehr oder weniger aufbauen bis in die 30er Jahre, wo alles dann wieder kaputtgemacht wurde; und die hatten Kinder hier.

JN: Genau.

EWC: Ne, das sind dann die Geschwister und Juliana zum Beispiel, und dann im Nationalsozialismus ist ja alles zerschlagen worden; also, die durften ja, wie gesagt, bis zur Zwangssterilisation hin, sie durften ja keine Kinder haben. Sollten, durften, konnten nicht und haben sich also wirklich angestrengt, auch keine zu bekommen, weil das hätte auch sofort KZ oder etwas bedeutet.

EWC: Ja, das war so das eine – und dann, 1946, und das finde ich "spannend", in Anführungszeichen, da wurden die "ersten" Schwarzen – "ersten" auch in Anführungszeichen – Schwarzen Kinder nach Deutschland hineingeboren wieder, das waren dann halt die Kinder von Besatzungssoldaten; das gehört noch mal so zur deutschen Mentalität, die wurden ja als "Besatzung" wahrgenommen und nicht als "Befreier". Also, und "Besatzung", das war halt ein Makel, und wenn du dann als Kind sichtbar mit dunklerem Hautton wohl was mit denen zu tun hattest – die weißen Kinder von Besatzungssoldaten, die wurden dann so nicht mehr gesehen; hatten vielleicht auch noch den Makel, dass sie unehelich waren, aber wenn die Mütter dann geheiratet haben, ja dann ging das irgendwie schon so unter – ging bei Schwarzen Kindern gar nicht.

Und das ging halt so '46 dann los – den absoluten Makel auf diese, in Anführungszeichen, "Besatzungskinder" zu legen, und den konnten sie ja nicht ablegen; das war ja sichtbar. Und das ist wieder was, was so eine Parallelität hat zu dem Nationalsozialismus, also die Generation von Michaels, die konnten ja ihre Schwarze Farbe auch nicht ablegen; sie hatten keinen Judenstern tragen müssen oder so was, an dem wird klar: aha, die wurden diskriminiert – diese Schwarze oder die dunklere Hautfarbe wurde die ganze Zeit diskriminiert und war nicht wegzukriegen.

Und das ging halt so '46 dann los – den absoluten Makel auf diese, in Anführungszeichen, "Besatzungskinder" zu legen, und den konnten sie ja nicht ablegen; das war ja sichtbar. Und das ist wieder was, was so eine Parallelität hat zu dem Nationalsozialismus, also die Generation von Michaels, die konnten ja ihre Schwarze Farbe auch nicht ablegen; sie hatten keinen Judenstern tragen müssen oder so was, an dem wird klar: Und sich dann als weiße Bevölkerung Gedanken darüber zu machen, dass Schwarze Menschen – ich red mich grad in Rage – dass Schwarze Menschen ihre Hautfarbe loswerden möchten und weiß werden möchten, das wurde so unserer Kindergeneration angedichtet, ja klar, du willst nicht diskriminiert werden die ganze Zeit – und wie wirst du nicht diskriminiert? Indem du auf die andere Seite wechselst. Ja klar.

Das heißt nicht, du bist nicht mit deiner Farbe zufrieden – das heißt, du bist mit deiner gesellschaftlichen Situation nicht zufrieden. '46 Jahre, und die Kinder waren in der Regel unehelich, das ist auch zeitgeschichtlich, also: die Soldaten, selbst wenn sie heiraten wollten, gewollt hätten, durften nicht, weil auch USA war super rassistisch, es gab keine, in Anführungszeichen, "gemischtrassigen" Ehen, waren dort verboten, richtig verboten noch – und ja, was sollten die Schwarzen Soldaten machen, hier? Also, später, ab den 60er Jahren, sind sie gerne hier geblieben, aber das ging vorher gar nicht. Und sie unterstanden dem Militärrecht und wurden militärisch reglementiert, wenn sie hier Kinder gezeugt hatten und das bekannt war.

JN: Okay.

EWC: Und dann mussten die sich erst mal kümmern, wie sie damit umgehen, also wie sie wieder eine Staatsbürgerschaft bekommen – und die deutsche haben sie so schnell nicht bekommen, also, weil Deutschland hat sich gar nicht zuständig gesehen. "Ja, die wurde aberkannt? Ach, hm, dumm gelaufen" – aber dass man da Verantwortung übernimmt, gesamtgesellschaftlich, das, also, lange nicht, lange nicht.

EWC: Und dann musste jeder individuell beantragen, dass er bitteschön oder sie bitteschön die deutsche Staatsbürgerschaft haben möchte; und das hieß auch nicht "Wiedereinbürgerung", was es ja vielleicht gewesen wäre, sondern "Einbürgerung" – also, Juliana erzählt von ihrer "Einbürgerung", und das ist schon ihre "Wiedereinbürgerung".

JN: Das stimmt, ja.

EWC: Und das ist so etwas, was im Verborgenen stattgefunden hat, also gesamtgesellschaftlich haben wir das gar nicht wahrgenommen.

EWC: Und dann, in den 60er Jahren ist dann eine große Wende (lacht) weil da sind afrikanische Staaten unabhängig geworden. Also, Ende 50er – '57 war Ghana, das allererste Land, und Liberia zählte nicht (lacht) und dann später in den 60er Jahren halt die vielen anderen afrikanischen Länder.

Und da hat Deutschland sich neu positioniert – vorher waren sie so kolonialamnesiemäßig unterwegs, und das hat ihnen jetzt geholfen, jetzt haben sie gesagt: "Wir hatten ja keine Kolonien. Und weil wir keine hatten, sind wir ja unbeschadet – kommt zu uns. (lacht) Kommt zu uns, ihr könnt hier studieren", und das war dann aber wieder aufenthaltsrechtlich damit verbunden: "Ihr könnt und sollt hier studieren, aber ihr sollt auch wieder gehen." Das war nicht gedacht, dass dadurch irgendwelche Kontinuitäten neu etabliert werden.

Und da hat Deutschland sich neu positioniert – vorher waren sie so kolonialamnesiemäßig unterwegs, und das hat ihnen jetzt geholfen, jetzt haben sie gesagt: Und das hat – ich weiß die Jahreszahlen jetzt nicht mehr – also, dieses Gesetz, dass ausländische Studierende aus bestimmten Ländern, Regionen – dazu gehört halt der ganze afrikanische Kontinent – dass die nicht hier bleiben sollten nach ihrem Studium, das war einfach gesetzt und es gab Abkommen mit den verschiedenen Staaten, dass die Schüler, Schülerinnen dann schicken zum Studium, dass der Staat teilweise auch subventioniert und dass Deutschland das Studium ermöglicht – okay.

Und da hat Deutschland sich neu positioniert – vorher waren sie so kolonialamnesiemäßig unterwegs, und das hat ihnen jetzt geholfen, jetzt haben sie gesagt: Und die sind tatsächlich mit dem Gedanken gekommen, dass sie gehen. Also, so wie später mit der sogenannten Gastarbeiter//

JN: Genau, ja.

EWC: Du bist gekommen, um zu gehen, bitte – (lacht) also, das ist so ein deutsches Ding, was sich lange gehalten hat. Und ja, die sind dann halt auch nicht alle gegangen, weil die dann rechtlich heiraten durften.

JN: Ah, okay.

EWC: Und über Ehe konnten sie bleiben. Aber nicht über Arbeit, weil das war ihnen verwehrt. Das kam auch erst später, dass sie arbeiten, Arbeit suchen durften; kam sehr spät.

JN: Ja, also was du jetzt beschrieben hast, ist ja, also, das zieht sich ja durch, nicht nur durch die 50er Jahre, sondern auch vorher, dass man einfach keine Bleibeperspektiven bietet.

EWC: Genau.

JN: Also, dass man die verbaut, auch dabei bleibt; also, dass es einfach enorm schwierig gewesen ist, sich hier tatsächlich irgendwie rechtlich in einem juristisch sicheren Rahmen zu bewegen – das ist auf jeden Fall was, was sich durchzieht, was ja auch gewollt ist, das entspringt ja einfach dieser Vorstellung von dem weißen deutschen Volkskörper und …

EWC: Ja. (lacht)

JN: Da wurde einiges getan, um das so zu halten. Genau, und ich fand es auch noch mal wichtig, dass wir noch mal so durchgegangen sind, so die verschiedenen Stationen, an denen man das immer wieder erkennen kann.

Genau, aber noch mal, um auf meine Frage zurückzukommen, was so die Verbindungen oder die Zugänge zu diesen verschiedenen Gruppen anbelangt: genau, weil ich nämlich auch so den Eindruck hatte – das besprechen wir auch später noch mal oder in der nächsten Folge, wenn es dann ja auch um Ostdeutschland geht – gab es Verbindungen? Wenn ja, wie sahen die aus, wenn nicht, dann nicht? Also, zwischen diesen unterschiedlichen Gruppen. Ich weiß zum Beispiel, jetzt diejenigen, die zum Studieren hergekommen sind, sind ja auch einfach sehr fokussiert hier hergekommen, um dieses Studium zu machen und dann zu gucken, wie's mit diesem Studium weitergeht, und ich frage mich – also, am Ende des Tages hat's ja einfach nicht so viele Schwarze Menschen in Deutschland gegeben zu dem Zeitpunkt – gab es da kein Bedürfnis, sich miteinander auszutauschen? – du kannst ja jetzt nicht für alle sprechen, aber wie sah es bei dir aus?

EWC: Ich find's spannend, und sollten ganz viele Menschen ihre Erfahrungen mal zusammentragen – ich kann für mich sagen, ich bin ja in einer Region aufgewachsen, in denen es GIs, also amerikanische Soldaten gab, und darunter auch Schwarze, so. Und die hatten ihre eigene Infrastruktur in bestimmten Städten und mussten sich mit der deutschen Bevölkerung und der deutschen Infrastruktur überhaupt nicht auseinandersetzen.

EWC: Es gab, denke ich, von Schwarzen GIs vor allen Dingen, immer wieder ein Gefühl von Verantwortung gegenüber den Kindern, die sie gezeugt hatten – und dieses Gefühl von Verantwortung hat schon auch dazu geführt, dass sie offener waren so bei Schwarzen Menschen, zuzunicken, in Kontakt zu gehen, aber immer mit der Selbstverständlichkeit, dass man Englisch spricht oder sprechen sollte, so ein bisschen in ihrer Welt geblieben und haben da drin dann aber sowieso auch das, was sie aus ihren Staaten ja kennen, man nickt sich zu und man erkennt an, dass da noch andere Schwarze Menschen sind, einfach nur durch eine Geste; das haben afrikanische Menschen teilweise hier übernommen, wenn sie sich alleine gefühlt haben, dann haben sie auch die anderen Schwarzen Kontakte gesucht, und erwachsene Kontakte bei den Amerikanern eben gefunden, und dann später bei den Schwarzen jungen Deutschen gefunden, mit denen dann Party gemacht wurde, und vielleicht hat man auch zusammen studiert – also, ich hatte dann das Glück, dass ich viele im Studium kennengelernt habe, das war dann gut, weil da konnten sich bei mir so Weltbilder mal setzen und auch ändern und ich mit Selbstverständlichkeiten neu für mich sortieren.

EWC: Ohne das Studium weiß ich nicht, wie's mir gegangen wäre. Also, für mich war das Studium die Möglichkeit, mich Schwarz erleben zu dürfen, mit anderen, ähnlichen Altersgruppe.

EWC: Ansonsten, von den Lebensrealitäten her, waren wir so unterschiedlich – wir hatten nicht so viel Berührungspunkte miteinander. Denke schon, dass diese Begegnungen letztendlich viel gemacht haben, weil zum Beispiel in den USA sind daraus die Civil-Rights-Bewegungen entstanden und in USA gab's ja auch so eine Afrikanisierungsbewegung, dass man dann gerne Dashiki trug und Käppis trug, als Mann vor allen Dingen, dass man Afro dann auch trug, später, und sich so afrikanischer gegeben hat.

EWC: Das hat bestimmt auch damit zu tun, dass sie ein bisschen Kontakte hatten, gefunden, und das mitnehmen konnten; und dass es nach den Befreiungsbewegungen eben auch einen positiven Moment gab, sich mit Afrika zu identifizieren.

Also, ich kann für mich noch mal sagen – wie gesagt, ich wiederhole, '55 geboren – ich bin eigentlich erst in den 70er Jahren da drauf gekommen; vorher war ich sehr ruhig, sehr zurückgezogen, sprachlos, also wortlos und sprachlos, stimmlos, ich hab wenig geredet – find ich auch spannend, gibt's Parallelitäten im Nationalsozialismus, die Leute haben auch nicht geredet (lacht) – und dann hab ich so langsam, langsam angefangen, da war ich so knapp zwanzig und dann halt ab der Zeit, mir Gedanken zu machen: Es muss doch auch anders gehen.

Und dann hab ich aus dem weltweiten Pool (lacht) den es ja durchaus hier gab, so meine Stärken gezogen; und das hat mir gut getan und das ist aber ein individueller Weg gewesen. Ich hab sehr stark den Kontakt zu afrikanischen Menschen gesucht, ja, dann ist noch mal spannend für mich als Erlebnis, Erlebenshintergrund: Ich hab den gesucht und ich wollte auch weg von Deutschland, also es ist so: Deutschland war nicht lebenswert. Und ich find's spannend, weil Juliana ja zurückkam (lacht) aber für mich war Deutschland nicht lebenswert und nicht überlebenswert oder -möglich.

JN: Hm-hm.

EWC: Also, in meinem Erleben als junge Person. Und in dieser Suche dann mit den afrikanischen Menschen war alles ganz nett und ich bin dann auch gereist – und dann merkte ich immer: Ja, aber ich bin ja gar nicht von dort. Also, ich will weg von hier – aber da, wo ich hin will, da kriege ich den Spiegel, berechtigt: "Du kannst die Sprache nicht, du kennst unsere Kultur nicht, du weißt hier überhaupt nix."

JN: "Du bist eigentlich deutsch."

EWC: "Du bist deutsch", ja. Also: "Hier bist du irgendwie nicht wirklich", und dann: "Bist du europäisch? Ach, deutsch" (lacht) so. Und das hat mich zurückgeworfen auf, also, immer wieder auf: Okay, was hab ich hier? Was brauche ich und was habe ich hier? – und deswegen gab's dann '85, also, vorher hat's angefangen bei mir schon, aber dann '85 den großen Bang und die Möglichkeit und wir haben die ISD gegründet.

Aber ich brauchte hier Schwarze Zusammenhänge; und diese Zusammenhänge war dann von meiner Warte aus von Anfang an: Alle diese Gruppierungen, die wir so sind, alles in einen Topf zu werfen oder unter einen Schirm zu bringen, weil das uns ja nix bringt, uns so zu dividieren und zu unterscheiden.

Also, am Anfang, also, ich bin nicht gestartet mit der Vorstellung: Ich habe ein Recht darauf – sondern mit der Vorstellung: Ich hab die Notwendigkeit. Ich habe die absolute Notwendigkeit und Überlebensnotwendigkeit, dass es hier so Zusammenhänge gibt, in denen ich mich irgendwie bewegen kann und wiederfinden kann.

Und dann später hat sich da draus erst entwickelt, auch im Reden miteinander: Ja nee, ich und wir haben ein Recht darauf – das kam erst dadurch. Jaja. Ach, "Recht", wer denkt denn an Rechte? (lacht)

JN: (lacht)

EWC: Ja, ganz schwierig.

JN: Ja. Okay. Das war ein wundervolles Gespräch, wir haben viele Schlenker gemacht.

EWC: Ja.

JN: Alles mitgenommen.

EWC: Das hoffe ich.

JN: Genau, deswegen, ich bedanke mich sehr bei dir – wieder sehr viel gelernt. Genau, und würd sagen: Bis zum nächsten Mal.

EWC: Ja, dankeschön. Bis zum nächsten Mal.

JN: Tschüssi.

JN: Das war Telling Our Stories. Erzählte Geschichte.

JN: Ein digitales Ausstellungsprojekt der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland.

Konzept: Jeanne Nzakizabandi

Webdesign: Studio Abo

Produktion: Géneviève Lassey

Recherche: Merle Kondua

Recherche: Gefördert von der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zunkunft

Im Rahmen von: Wie wir erinnern. Plurale Erzählungen, kollektive Geschichten,

Im Rahmen von: gemeinsame Wege.

Im Rahmen von: Mehr Infos findet ihr unter www.tellingourstories.de

Im Rahmen von: (Musik-Outro)

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